Digitalisierung in der gesetzlichen KV und der sozialen PV
Digitalisierung in der gesetzlichen KV und der sozialen PV

Prävention und Rehabilitation

Auch im Bereich der Prävention und der Rehabilitation ist der Einsatz digitaler Lösungen im Digitalausschuss des BAS diskutiert worden und unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Präventionsangebote

Für zulässig erachtet das BAS unter anderem Stressbewältigungs-, Nichtraucher-, Kopfschmerz- und Fitnessschulungen sowie Schulungen bei depressiven Verstimmungen- oder zur Gewichtsreduktion.

Diese Schulungsangebote können auf der Rechtsgrundlage der §§ 20 ff. SGB V als Präventionsleistungen von Dienstleistern oder der Krankenkasse erbracht werden, sofern sie die Voraussetzungen des Leitfadens Prävention des GKV-Spitzenverbandes (Präventionsleitfaden) erfüllen. Kapitel 7 des Präventionsleitfadens enthält besondere Regelungen für das zunehmend bedeutsame Feld digitaler Prävention und Gesundheitsförderung. Mit dem Dokument „Kriterien zur Zertifizierung digitaler Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote gemäß Leitfaden Prävention Kapitel 7“ ergänzt und konkretisiert der GKV-Spitzenverband die verbindlichen Regelungen in Kapitel 7.1-7.3 des Präventionsleitfadens. Anforderungen an Informations- und Kommunikationstechnologie gestützte Kurse (IKT-Kurse) lassen sich Kapitel 5 des Präventionsleitfadens entnehmen. Hierzu gehören Onlinekurse, Live-Onlineseminare, Blended Learnings (teilweise in Präsenz und teilweise auf elektronischem Weg) sowie digitale Anwendungen, mit denen sich Teilnehmende digital aufbereitetes Gesundheitswissen sowie Methoden und Techniken zur Gesundheitsverhaltensänderung im Alltag selbstständig aneignen können. Während bei Kursen im Präsenz- bzw. IKT-Format die Kursleitung für z. B. Edukation, Motivation, Reflexion oder Individualisierung verantwortlich ist, sind diese Funktionen in digitalen Angeboten teilweise oder vollständig digitalisiert (z. B. durch Lernvideos, Reflexionsfragen mit automatisiertem und/oder personalisiertem Feedback), vgl. Kapitel 7.2.1 Präventionsleitfaden.

Die Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP) der Krankenkassen hat bereits zahlreiche Online-Programme zertifiziert (Stand 13. Dezember 2023: 3352 Programme). Hierbei handelt es sich sowohl um Angebote im Sinne des Kapitels 5 als auch des Kapitels 7. Auch die Krankenkassen selbst sind gemäß § 20 Abs. 5 SGB V berechtigt, entsprechende Programme zu zertifizieren.

Zu beachten ist jedoch, dass § 20 Abs. 1 SGB V ausschließlich Leistungen zur Primärprävention und Gesundheitsförderung vorsieht. Dies gilt auch für digitale oder IKT-gestützte Programme. Primärprävention zielt auf die Senkung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Krankheiten und Unfällen bei einem Individuum oder einer (Teil-) Population ab (Luik in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 20 SGB V, Rn. 6). Insofern scheidet eine leistungsrechtliche Einordnung digitaler oder IKT-gestützter Programme als Präventionsangebote aus, wenn diese auf die Behandlung einer bereits manifestierten Erkrankung abzielen.

Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
Die Krankenkassen sind gemäß der generalklauselartigen Regelung des § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt, solche Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise zu erbringen oder zu fördern, die unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern, aber nicht zu den Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben oder den Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören. Bei den ergänzenden Leistungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V handelt es sich um Ermessensleistungen („kann“).

Das BAS sieht § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V neben § 67 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB V als Rechtsgrundlage für beispielsweise ein Online-Bewegungsprogramm mit dem Ziel der Reduktion des Rezidivrisikos bei Krebserkrankungen an, da es der Erreichung und Sicherung des Rehabilitationsziels dient.

Für die App zur Bewältigung von Tinnitus-Leiden wird vom BAS neben § 67 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB V auch die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zur Kostenübernahme gesehen, da durch die Nutzung der App eine Minderung der tinnitusbedingten Abweichung der körperlichen Funktion von dem für das Lebensalter typischen Funktion durch das Übungsprogramm erreicht werden kann.

Die App zur Linderung von Rückenschmerzen sieht das BAS von der Norm des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erfasst, da die App sowohl Elemente eines Trainings, aber auch einer Schulung für chronisch Kranke enthält.

Sind solche Anwendungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf der Grundlage der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) gelistet, können diese auch nach § 33a SGB V von den Krankenkassen erstattet werden.

(Stand: 20.12.2023)