Digitalisierung im Rechnungswesen
Ersetzendes Scannen

Ersetzendes Scannen der ärztlichen Verordnung im Rahmen der Abrechnung der sonstigen Leistungserbringer nach § 302 SGB V

Die Aufbewahrung der Papieroriginale von Verordnungen stellt eine hohe finanzielle und organisatorische Belastung der betroffenen Stellen dar. Aus diesem Grund ist das „ersetzende Scannen“ von Originalverordnungen für die sonstigen Leistungserbringer als auch die Krankenkassen von hoher Bedeutung. Es kommt jedoch darauf an, wer den Scanprozess durchführt und nach welchen Regeln der Technik dieser erfolgt.

„Ersetzendes Scannen“ – bezeichnet den Vorgang des elektronischen Erfassens von Papierdokumenten zur elektronischen Weiterverarbeitung des hierbei entstehenden elektronischen Abbildes (Scanprodukt) und der späteren Vernichtung des papiergebundenen Originals.

Die Abrechnungsprozesse nach § 302 SGB V zwischen den Krankenkassen und sonstigen Leistungserbringern erfolgen bereits jetzt elektronisch, d.h. papierlos. Die Leistungserbringer bewahren jedoch die Originalpapierverordnungen für die Krankenkassen auf bzw. übermitteln diese in den Herrschaftsbereich der Krankenkassen, damit diese ihren Prüfpflichten nachkommen können. Es findet derzeit bei den Leistungserbringern nur ein „Ergänzendes Scannen“ statt, bei dem nach dem Scannen das papiergebundene Original weiterhin aufbewahrt wird. Diese Aufbewahrungspflicht folgt aus unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben.

Um die Verwaltungsangelegenheiten sparsam und wirtschaftlich zu erledigen, § 4 Abs. 4 SGB V, sind Krankenkassen verpflichtet, abgerechnete Leistungen von Leistungserbringern zu prüfen. Hier sehen die Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit „Sonstigen Leistungserbringern“ sowie mit Hebammen und Entbindungspflegern (§ 301 a SGB V) vom 9. Mai 1996, in der geänderten Fassung vom 20. November 2006 („Richtlinien Abrechnungsverfahren § 302 SGB V“) die Möglichkeit der Übersendung von Images im Rahmen des Abrechnungsprozesses neben den Originalverordnungen vor („Ergänzendes Scannen“). Die Möglichkeit der Ersetzung des Originals durch ein Image des Leistungserbringers („Ersetzendes Scannen“) ergibt sich aus den derzeit geltenden „Richtlinien Abrechnungsverfahren § 302 SGB V“ nicht, was gemäß § 302 Abs. 2 Satz 1 SGB V in den Leistungs- oder Lieferverträgen zu beachten ist.

Unterlagen, die für eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde nicht mehr erforderlich sind, können gemäß § 110 b Abs. 3 SGB IV vernichtet werden. Für Prüfzwecke sind die Originalpapierverordnungen nicht mehr erforderlich, wenn sie nach den Regeln der ordnungsgemäßen Aufbewahrung von der Behörde in elektronische Dokumente überführt wurden, § 110 a Abs. 2 SGB IV. Im Rahmen des Transformationsprozesses von der Papierunterlage zum elektronischen Dokument/Image ist von den Krankenkassen der Leitfaden „Elektronische Kommunikation und Digitalisierung in der Sozialversicherung – Version 6.0, Stand 4, November 2021“ („Leitfaden“) zu beachten. Danach ist die TR-RESISCAN maßgebend für die behördlichen Scannprozesse. Die TR-RESISCAN beschreibt die technischen und organisatorischen Anforderungen für Scanprozesse und Scanprodukte, die erfüllt sein müssen, damit Papierdokumente rechtssicher und gerichtsverwertbar digitalisiert und anschließend vernichtet werden können. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Papierunterlagen der Krankenkasse überhaupt zugeleitet werden. Ein „Ersetzendes Scannen“ durch den Leistungserbringer sieht § 110 b SGB IV nicht vor.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SVRV sind seitens der Krankenkassen Auszahlungen auf Grund von Zahlungsanordnungen zu leisten, denen zahlungsbegründende Unterlagen beizufügen sind. Eine Beifügung im Original erwarten die Regelungen der SVRV und der SRVwV nicht. Gemäß § 5 Satz 1 SVRV müssen alle Buchungen belegt sein. Die Belege können hierbei elektronisch erzeugte Dateien oder Datensätze sein, § 6 Abs. 3 SVRV. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SRVwV wird mit der sachlichen Feststellung die Richtigkeit und die Vollständigkeit der in dem Beleg enthaltenen Angaben bestätigt. Mit Rundschreiben vom 20. Juni 2020 (AZ 511-3700-1738/2007) hat das BAS bereits darauf hingewiesen, dass eingehende elektronische Unterlagen im Rahmen der sachlichen Feststellung auf Integrität und Authentizität zu prüfen sind. Darüber hinaus hatte das BAS darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Anforderungen an die Beweiskraft von Dokumenten im Verwaltungsverfahren zu beachten sind, sofern keine bereichsspezifischen Erleichterungen gelten.

Elektronische Unterlagen sind grundsätzlich authentisch, wenn sie mit den Ursprungsdaten des Ausstellers übereinstimmen und integer, wenn ihnen die Identität des Ausstellers zugeordnet werden kann, sie vollständig sind und nachweislich keine Veränderungen oder Manipulationen an ihnen festgestellt werden können. Dies kann aus technischer Sicht durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. der qualifizierten elektronischen Signatur sichergestellt werden. Soweit jedoch der Leistungserbringer, der nicht selbst Aussteller der Verordnung ist, die Transformation von Papier in ein elektronisches Dokument übernimmt, kann zwar die Authentizität und Integrität ab dem Zeitpunkt der Transformation technisch sichergestellt werden, nicht jedoch die Authentizität und Integrität vor der Transformation. Es ist also nicht sichergestellt, dass die Verordnung in unveränderter Form vom Leistungserbringer gescannt wurde. Die elektronischen Dokumente der Leistungserbringer führen nicht zu der erforderlichen Beweiskraft, wenn die Originalpapierverordnungen durch die Krankenkasse nicht überprüfbar sind. Eine Aufbewahrung der Originalpapierverordnungen mit uneingeschränkter Zugriffsmöglichkeit für die Krankenkassen bleibt daher weiterhin erforderlich.

Originalverordnungen sind darüber hinaus für die Krankenkassen beispielsweise auch im Rahmen der Erfüllung ihrer Kontrollpflichten nach § 127 Abs. 7 SGB V erforderlich, um ggf. Auffälligkeiten im Abrechnungsprozess ermitteln zu können. Ebenso müssen die Prüfdienste nach § 274 SGB V und die Aufsichtsbehörden im Rahmen von Aufsichtsprüfungen (§ 88 SGB IV) Originalverordnungen zur Prüfung von Abrechnungen bei Heil- und Hilfsmitteln anfordern können. Auf Papierverordnungen kann im Rahmen der Prüfungen nur verzichtet werden, wenn der Transformationsprozess im Verantwortungsbereich der Krankenkasse liegt und die elektronische Form als Original angesehen werden kann.

Nach Auffassung des BAS kommt einer von einem Leistungserbringer in seiner Verantwortungssphäre erzeugten elektronischen Unterlage, selbst wenn sie über anerkannte Verfahren, wie TR-RESISCAN erfolgen, rechtlich nicht die volle Beweiskraft in einem Zivil- oder Verwaltungsprozess zu, da dessen elektronische Signatur nicht den Voraussetzungen des § 371 a Abs. 1 Satz 1 ZPO genügt. Es wird zum Erhalt der vollen Beweiskraft verlangt, dass die Papierunterlage entweder vom Aussteller selbst oder von einer öffentlichen Behörde oder einer mit öffentlichem Glauben ausgestatteten Person unter Beachtung des Stands der Technik in ein elektronisches Dokument übertragen wird, §§ 371 a, 371 b, 437 ZPO. Hinzu kommt, dass auch § 110 b SGB IV davon ausgeht, dass die Transformation im Herrschaftsbereich der Krankenkasse (Behörde) erfolgt.

Aus Sicht des BAS ist es daher unzulässig, wenn Leistungserbringer „Ersetzendes Scannen“ eigenverantwortlich durchführen, bei welchem die Originalpapierverordnung vom Leistungserbringer vernichtet wird. Leistungserbringer können nach derzeitigem Rechtstand nur „Ergänzendes Scannen“ einsetzen, um Abrechnungsprozesse elektronisch durchzuführen.

Ersetzendes Scannen kann im Ergebnis nur durch die Krankenkassen oder den verordnenden Arzt selbst erfolgen. Soweit der verordnende Arzt die elektronische Unterlage erzeugt, bedarf es aber auch der technischen Voraussetzungen, dass die elektronische Verordnung dem Versicherten zur Verfügung gestellt werden kann, damit dieser in der Lage ist, einen Leistungserbringer zu wählen und ihm die elektronische Verordnung zuzuleiten. Eine direkte Zuleitung der elektronischen Unterlage durch den Arzt an einen Leistungserbringer scheitert an § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V. Auch müsste in diesem Fall gewährleistet sein, dass alle Leistungserbringer gleichberechtigt an der Versorgung teilnehmen können. Die Übersendung der Originalpapierverordnung an die Krankenkassen ist dann entbehrlich. Die Ärzte werden hierbei nicht von ihren Verpflichtungen befreit, ab 1. Juli 2026 gemäß §§ 360 Abs. 7 Satz 1, 86 SGB V Verordnungen unter anderem von Heil- und Hilfsmitteln elektronisch auszustellen und für die Übermittlung der Verordnungen die Telematikinfrastruktur zu nutzen.

Ein Verzicht auf die Übersendung der Originalverordnungen in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse ohne Zugriffsmöglichkeit auf die beim Leistungserbringer liegende Originalverordnung ist auch nicht auf der Grundlage des § 303 Abs. 1 SGB V zulässig, da die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe der ordnungsgemäßen Abrechnungsprüfung gefährdet wäre. Zwar stellt § 5 Abs. 1 EGovG es ins Ermessen der Behörde, im elektronischen Verfahren Originale anzufordern und § 21 SGB X gibt der Krankenkasse als Behörde die Möglichkeit im eigenen pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, welche Beweismittel sie für erforderlich hält. Jedoch entspricht es nicht dem pflichtgemäßen Ermessen und der ordnungsgemäßen sachlichen Rechnungsprüfung, wenn die Krankenkasse ihre Prüfung ausschließlich auf von den abrechnenden Leistungserbringern erzeugte elektronische Dateien stützt. Ein Absehen von Ermittlungen ist nur zulässig, wenn die Tatsache, hier das elektronische Dokument, als wahr bzw. echt unterstellt werden kann (BSG Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R). Hierbei müssen Feststellungen einer Behörde auf eigens gewonnenen Überzeugungen beruhen. Eine von einem abrechnenden Leistungserbringer erzeugte elektronische Verordnung per sé als echt zu unterstellen, wäre ermessensfehlerhaft.

Das Ersetzende Scannen bzw. die Archivierung der Originalpapierverordnungen können die Krankenkassen auf einen externen Dienstleister oder auch auf einen Leistungserbringer übertragen. Die Auslagerung der Aufgaben muss wirtschaftlich sein, im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen liegen, Rechte der Versicherten dürfen nicht beeinträchtigt werden, wesentliche Aufgaben der Krankenkassen dürfen von der Auslagerung nicht betroffen sein und die Datenschutzkriterien sind zu beachten. Die Krankenkassen werden dabei von ihrer Verantwortung nicht frei, §§ 197 b Satz 3 SGB V, 89 Abs. 2 SGB X, § 19 Satz 2 SVRV. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Auslagerung des „Ersetzenden Scannen“ sind daher bestehende Kontrollpflichten gegenüber den externen Dienstleistern bzw. Leistungserbringern und hierauf zurückzuführende Aufbewahrungspflichten der Originalpapierverordnungen zu berücksichtigen. Ob die von den Dritten erzeugten elektronischen Dateien bildlich und inhaltlich mit der Originalvorlage übereinstimmen, kann eine Krankenkasse nur prüfen, wenn sie noch Zugriff auf die Originalverordnungen hat. Sofern der Scanprozess komplett oder teilweise von spezialisierten Scandienstleistern oder den Leistungserbringern durchgeführt wird, ist der Anforderungskatalog der BSI TR-03138 RESISCAN entsprechend umzusetzen und sind z.B. zusätzlich zur regelmäßigen Auditierung unangemeldete Stichprobenprüfungen von den Krankenkassen durchzuführen. Hierüber muss die Krankenkasse entsprechende Outsourcingverträge schließen. Bedenken bestehen gegen eine Auslagerung an einen externen Dienstleister, wenn dieser bereits das Prüfen und/oder Zahlen von Rechnungen übernommenen hat, da hier ein sogenanntes Klumpenrisiko entsteht. Grundsätzlich sollten die Krankenkassen ihre Papierbelege selbst scannen oder über eine Arbeitsgemeinschaft scannen lassen, damit stets klar ist, wie viele Rechnungen der externe Dienstleister zur Rechnungsprüfung erhalten hat.

Da Papierverordnungen Sozialdaten enthalten, ist auch § 80 Abs. 3 SGB X zu beachten. Danach ist die Erteilung eines Auftrags zur Verarbeitung von Sozialdaten durch nicht-öffentliche Stellen nur zulässig, wenn beim Verantwortlichen sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten können oder die übertragenen Arbeiten beim Auftragsverarbeiter erheblich kostengünstiger besorgt werden können.

Outsourcingvorhaben der Krankenkassen sind nach § 97 Abs. 1 Satz 3 SGB X der Aufsichtsbehörde anzuzeigen; sie sind nach §§ 19 SVRV / 42 SRVwV anzuzeigen, wenn Aufgaben des Rechnungswesens (Prüfen, Zahlen, Archivieren) ausgelagert werden. Soweit Dienstleister auch für Leistungserbringer tätig sind, kann diese Doppelfunktion zulässig sein, wenn die Verträge klare Regelungen zu den Rechten und Pflichten der jeweiligen Vertragspartner enthalten und diese eine erkennbare Trennung zwischen den Wirkbereichen festlegen und diese auch tatsächlich gelebt wird. Inwieweit die Krankenkassen die Archivierung der Originalverordnungen auch den Leistungserbringern überlassen können, ist im Einzelfall zu prüfen.

(Stand: 04.07.2022)