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23. März 2020

Coronavirus (COVID-19/SARS-CoV-2) – Funktions- und Handlungsfähigkeit der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger

An
die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger z.H. der jeweiligen Vorstände bzw. Geschäftsführungen
nachrichtlich
DGUV
BMG
BMAS
Aufsichtsbehörden der Länder
GKV-Spitzenverband

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Folgen und Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie stellen für die Funktions- und Handlungsfähigkeit unserer Verwaltungen und insbesondere für Sie als für die Sozialversicherungsträger Verantwortlichen hinsichtlich der Wahrnehmung Ihrer diesbezüglichen Kernaufgaben eine extreme Herausforderung dar.

Auch wenn die in Ihren Häusern erarbeiteten Notfallkonzepte Maßnahmen für einen derartigen Katastrophenfall vorsehen, bedingt der Ernstfall in vielen Fällen eine flexible und pragmatische Anpassung an die jeweiligen Lebensverhältnisse. Wir als Bundesamt für Soziale Sicherung sind bemüht, Ihnen in dieser schwierigen Situation - wie von einigen Trägern gewünscht - zu vermitteln, wie einzelnen Häuser besondere Problemlagen gelöst und welche Maßnahmen konkret eingeleitet wurden.

Wie Sie wissen, sind aufgrund landesrechtlicher Regelungen (z.B. NRW § 3 ZVO-IfSG) die Städte und Gemeinden als örtliche Ordnungsbehörden bzw. die jeweiligen Landesministerien für landesweite Schutzmaßnahmen nach § 28 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG) zuständig. Von daher bitten wir Sie, sich bei Fragen im Zusammenhang der Anordnung von Schutzmaßnahmen nach dem IfSG an die für sie zuständige Ordnungsbehörde zu wenden.

Aus unserer Sicht tragen die Sozialversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts und somit als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung eine wesentliche Verantwortung für die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit den ihnen zustehenden Sozialleistungen und deren Finanzierung sowie für die Umsetzung neuer gesetzgeberischer Maßnahmen.
Aus diesem Grund sind nach unserer Auffassung jedenfalls auch Teilbereiche der Verwaltung Ihrer Häuser als systemrelevant, z.B. iSd der Leitlinien der Landesregierung NRW zur Bestimmung des Personals kritischer Infrastrukturen vom 20. März 2020, anzusehen. Die Frage, welches Personal konkret hierzu gehört, haben die Sozialversicherungsträger im Rahmen der ihnen obliegenden Selbstverwaltung in eigener Zuständigkeit zu klären. Wir begrüßen, dass einige Häuser verwaltungsintern schon diejenigen Arbeitsbereiche identifiziert haben, die für die öffentliche Daseinsvorsorge notwendig sind. Bei allen Bemühungen, die Funktionsfähigkeit der systemrelevanten Funktionen sicherzustellen, bitten wir Sie allerdings, den Schutz und die Gesundheit Ihrer Beschäftigten stets im Auge zu behalten und die Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass eine mögliche Gefährdung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz möglichst ausgeschlossen wird. Nur so wird es gelingen, die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Gesamtsystems der Sozialversicherung nachhaltig aufrechtzuhalten.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie informieren, dass sich in den letzten Tagen mehrere Krankenkassen und Berufsgenossenschaften in unserem Hause nach kurzfristigen und rechtssicheren Alternativen für die grundsätzlich unter persönlicher Anwesenheit an einem Ort stattfindenden Sitzungen der Selbstverwaltungsorgane erkundigt haben. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in dieser Krise halten auch wir es für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger für dringend erforderlich, dass die bestehenden Möglichkeiten der Beschlussfassung der Selbstverwaltungsorgane gemäß § 64 SGB IV umgehend erweitert werden.
Nach der derzeitigen Gesetzesfassung des § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB IV haben die Sitzungen der Selbstverwaltung unter persönlicher Anwesenheit der Mitglieder in öffentlicher Sitzung zu erfolgen. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 SGB IV kann der Vorstand in eiligen Fällen ausnahmsweise ohne Sitzung schriftlich abstimmen. Nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB IV kann die Vertreterversammlung jedoch nur dann schriftlich abstimmen, soweit die Satzung es zulässt. In der Praxis haben viele Träger das sog. Umlaufverfahren auf bestimmte Einzelfälle beschränkt.

Damit die Sozialversicherungsträger in den kommenden Wochen und Monaten wichtige Beschlüsse, wie z.B. Beitragssatzerhöhungen, Wahl und Abwahl eines Geschäftsführers/ Vorstandes, Satzungsänderungen, Änderung der Ausrichtung des Sozialversicherungsträgers für die Zukunft und zeitnahe Entscheidungen über Widersprüche und Renten(-anträge) der Versicherten, auch ohne persönliche Zusammenkunft der Vertreterversammlungen/ Verwaltungsräte treffen können, hat unser Haus bereits eine praktikable und rasche Erweiterung des schriftlichen Umlaufverfahrens gemäß § 64 SGB IV gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales angeregt. Eine entsprechende Satzungsregelung seitens der Träger soll hierfür nicht erforderlich sein. Nach Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens werden wir Sie unverzüglich über diese Neuregelung informieren.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Bewältigung dieser Krise und hoffen, dass wir auf absehbare Zeit wieder in den normalen Arbeitsmodus zurückkehren können.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Gez. (van Doorn)