Bekanntgabe eines Verwaltungsakts
Grundsätzlich sind gesetzlich zwei verschiedene Möglichkeiten geregelt, nach denen eine Bekanntgabe eines elektronisch übermittelten Verwaltungsakts über die Online-Geschäftsstelle möglich ist: Eine elektronische Übermittlung mit Zugangsfiktion
(§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X) sowie eine Bekanntgabe durch Abruf des Betroffenen
(§ 37 Abs. 2a Satz 1 SGB X). In der Praxis ist oft fraglich, welche der Lösungen vorteilhaft ist. Außerdem sind bei der rechtskonformen Umsetzung mehrere kürzlich erfolgte Gesetzesänderungen des § 37 SGB X zu berücksichtigen.
Nach heutiger Rechtslage (Stand: Juli 2022) gilt bei elektronischer Übermittlung der Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Hierunter ist der sichere leitungs- oder webbasierte Datentransfer zwischen zwei elektronischen Rechnern zu verstehen. Eine sichere Übermittlung an authentifizierte AdressatInnen dürfte über die De-Mail im Sinne des § 36a Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 SGB I erfolgen.
Aufgrund des derzeitigen geringen Nutzungsgrades von De-Mails in Deutschland erscheint daher auf den ersten Blick die Bereitstellung des elektronischen Verwaltungsaktes zum Abruf über öffentliche Netze die praktikablere Lösung.
Häufig wird – auf der Grundlage des § 37 Abs. 2a SGB X – neben der Ablage des Verwaltungsakts im Postkorb des Versicherten (Online-Geschäftsstelle) eine E-Mail versendet, die auf einen entsprechenden Eingang abstrakt hinweist. Voraussetzung der Bekanntgabe nach § 37 Abs. 2a SGB X, welcher durch Art. 9 des „Gesetzes zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen - FamLeistDigitG“ vom 3. Dezember 2020 geändert wurde, ist zunächst neben der Einwilligung des Beteiligten in die elektronische Kommunikation und einer elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung, dass die/der EmpfängerIn sich vor Abruf des Verwaltungsakts in einer dem Vertrauensniveau angemessenen Weise authentisieren muss und dass der elektronische Verwaltungsakt für die Adressatin/den Adressaten speicherbar ist. Allerdings trägt im Zweifel die Behörde die Beweislast für den Zugang der Benachrichtigung (§ 37 Abs. 2a Satz 5 SGB X).
Nach Empfehlung des Gesetzgebers soll die Benachrichtigung auf dem besonders sicheren Weg einer De-Mail nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz erfolgen (BT-Drs. 18/8434, S. 121). Nimmt der Versicherte idealerweise am De-Mail-Verfahren teil, würde dies der Krankenkasse folglich den Eingangsnachweis der Benachrichtigung ermöglichen.
Ist dies nicht der Fall und hat der Versicherte ausdrücklich sein Einverständnis dazu gegeben, dass eine Bereitstellungsbenachrichtigung zum Abruf durch eine unverschlüsselte E-Mail erfolgen darf, so bestehen für die Krankenkassen nur zwei Möglichkeiten der Herbeiführung der Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2a SGB X: Entweder meldet der Versicherte über die Funktion „Lesebestätigung“ zurück, dass er die E-Mail empfangen und gelesen hat oder aber die Krankenkasse protokolliert den Abruf des Verwaltungsaktes.
Denn kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen (weder Nutzung des De-Mail-Verfahrens noch Lesebestätigung), gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Abruf tatsächlich durchgeführt hat (BT-Drs. 19/23774, S. 26). Der erstmalige Abruf des Verwaltungsakts sollte daher protokollierbar sein, um den Zugang nachweisen zu können (Mutschler, in: KassKomm SGB X, § 37 Rn. 17b; Siewert, in: LPK-SGB X, § 37, Rn. 15).
Beide Formen der elektronischen Bekanntgabe erfordern zudem, dass die Übermittlung elektronischer Dokumente nach § 36a Abs. 1 SGB I zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn die Empfängerin/ der Empfänger „hierfür einen Zugang eröffnet hat“. Erforderlich ist also auch im Falle des Absatzes 2 eine ausdrückliche oder konkludente Widmung des Empfängers. Eine solche Widmung wird bei Nutzung der Online-Geschäftsstelle durch Authentisierung des Versicherten oder durch die Widmung eines privaten De-Mail-Postfaches bei einem Fremdanbieter erreicht. Einige Krankenkassen geben Verwaltungsakte auch über Online-Postfächer von Dienstleistern bekannt. Dabei ist zu beachten, dass die Krankenkasse auch in diesem Fall daten- schutzrechtlich verantwortlich bleibt und für eine Auslagerung von Verarbeitungsschritten in die Sphäre der Versicherten kein Raum besteht.
Im Ergebnis steht die Wahl der Bekanntgabeart im Ermessen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlässt (Heße, in: BeckOK SozR SGB X, § 37, Rn 6). Wir weisen aber darauf hin, dass der vordergründigen Vorteilhaftigkeit der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 2 bzw. Abs. 2a Satz 4 SGB X mehrere Erschwernisse bei der Anwendung dieser Vorschrift entgegenstehen (Beweislast), die mit der Wahl dieser Form der Bekanntgabe durch die Krankenkasse verbunden sind.
(Stand: 28.07.2022)