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18. Februar 2020

Datenschutz im Aufsichtsbereich: Erläuterung der Rechtslage zur Zulässigkeit der sog. Freundschaftswerbung

An
alle bundesunmittelbaren Krankenkassen
nachrichtlich
Bundesministerium für Gesundheit, Referat 211
Ministerien und Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales der Länder
Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Referat 13...

Sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund aktueller Anfragen möchten wir die Rechtslage zu allgemeinen Werbemaßnahmen sowie unsere Rechtsauffassung zur sog. „Freundschaftswerbung“ erläutern.

Rechtsgrundlage für die rechtmäßige Datenverarbeitung im Zusammenhang mit „Freundschaftswerbung“ stellt ausschließlich § 284 Absatz 4 SGB V dar.

Danach dürfen die Krankenkassen zur Gewinnung von Mitgliedern Daten verarbeiten, wenn die Daten allgemein zugänglich sind, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an den Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.

Primärer Ausgangspunkt sind „allgemein zugängliche“ Daten. Damit wird darauf abgestellt, ob Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie z. B. dem Telefonbuch oder Internet, genutzt werden. Das bedeutet, dass für Werbezwecke genutzte Daten unmittelbar aus öffentlichen Quellen entnommen werden. Nach unserer Auffassung ist hingegen dieses Kriterium nicht erfüllt, wenn Versicherte bei telefonischem Kontakt mit der Krankenkasse danach gefragt werden, ob sie Bekannte haben, die an der Krankenkasse interessiert sind, deren Daten öffentlich sind und auf dieser Grundlage Namen, Telefonnummern und Erreichbarkeit der Bekannten herausgeben. De facto erfolgt in diesen Fällen keine Datenerhebung unmittelbar aus öffentlichen Quellen, sondern bei einem Dritten. Dies entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Außerdem ist die Regelung des § 284 Absatz 4 SGB V als abschließende Vorschrift zu verstehen, da die Krankenkassen in diesem Zusammenhang in ihrer Funktion als Körperschaften des öffentlichen Rechts auftreten und tätig werden.

Deswegen ergibt sich auch aus Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f) DSGVO keine (zusätzliche) Verarbeitungsbefugnis für die Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken. Zwar ermöglicht diese Vorschrift eine Datenverarbeitung, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.Hier ist jedoch der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht eröffnet, da § 284 Absatz 4 SGB V eine abschließende Vorschrift darstellt, nach der für Krankenkassen Werbung explizit ermöglicht wird. Einer zusätzlichen Verarbeitungsbefugnis bedarf es daher nicht.

Zudem schreiben die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung (abrufbar hier) vor, unter welchen Bedingungen Krankenkassen Werbung durchführen dürfen. Krankenkassen haben die §§ 1,3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten. Das bedeutet, dass die Werbung der Kassen nicht unlauter sein darf. Insbesondere gilt § 7 UWG, der die Verbraucher vor unerbetenen telefonischen Anrufen schützt. Danach sind Werbeanrufe nur dann zulässig, wenn eine vorherige Einwilligung des Angerufenen vorliegt (Rz. 4b, 25, ebenda). Das bedeutet, dass Krankenkassen nur dann bei potenziellen Neumitgliedern anrufen dürfen, wenn ihnen eine schriftliche Einwilligung des Neumitglieds vorliegt.

Daher sind nur dann rechtmäßige Werbemaßnahmen gegeben, wenn sowohl § 284 Absatz 4 SGB V als auch die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze eingehalten werden.

Im Übrigen ist in den Grundsätzen klargestellt, dass bei allen Werbeaktivitäten die Krankenkassen die für sie jeweils geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen strikt einzuhalten haben (Rz. 23, ebenda).

Wir bitten um entsprechende Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben und behalten uns eine Überprüfung im Rahmen von Sonderprüfungen vor.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
gez. (Schlotter)