Rundschreiben KV
16. September 2021

Gesetzliche Krankenversicherung – Vertragswesen –

An
An alle bundesunmittelbaren Krankenkassen
nachrichtlich
BMG
Aufsichtsbehörden der Länder
GKV-Spitzenverband

Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bundesrechnungshof hat in seiner abschließenden Mitteilung an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen über die Prüfung der Gewährung von Soziotherapie nach § 37 a SGB V vom 15. Dezember 2020 u.a. festge-stellt, dass von ihm bei Krankenkassen stichprobenweise geprüfte Verträge zur Versorgung mit Soziotherapie nicht den Bestimmungen der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesaus-schusses über die Durchführung von Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (im Folgenden Soziotherapie-Richtlinie) in der Fassung vom 22. Januar 2015, zuletzt geändert am 17. September 2020, entsprechen. Wir nehmen die Mitteilung des Bundesrechnungshofes daher zum Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
Nach § 37 a Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, Anspruch auf Soziotherapie. Soziotherapie soll dazu beitragen, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden oder zu verkürzen. Die Soziotherapie umfasst nach § 37a Abs. 1 Satz 2 SGB V die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Sie leistet einen unverzichtbaren Beitrag für die medizinische Versorgung besonders vulnerabler Personengruppen. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit ambulanter Soziotherapie ist für den Gesetzgeber von besonderer Bedeutung (BT-Drs. 18/10289, S. 54, 55).
Das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Versorgung bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den Richtlinien nach §§ 92, 37a Abs. 2 SGB V. Krankenkassen oder die Landesverbände der Krankenkassen können unter Berücksichtigung dieser Richtlinien mit geeigneten Personen oder Einrichtungen Verträge schließen, § 132 b Abs. 1 SGB V. Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen Verträge zur Versorgung mit Soziotherapie in dem Umfang abgeschlossen werden, wie sie für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig sind, § 132 b Abs. 1 SGB V (BT-Drs. 14/1245 zu Nr. 71). Das den Krankenkassen in § 132 b Abs. 1 SGB V eingeräumte Ermessen, Verträge abzuschließen, ist angesichts des Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 37 a SGB V und des Auftrags, für eine bedarfsgerechte Versorgung zu sorgen, weitgehend reduziert. Schließt eine Krankenkasse keine Verträge ab und kann sie dadurch die Leistung dem Versicherten gegenüber nicht rechtzeitig erbringen, stehen den Versicherten die Rechte nach § 13 Abs. 3 SGB V zu.
Im Rahmen der Verträge ist die Soziotherapie-Richtlinie als verbindliche und höherrangige Regelung gem. §§ 91 Abs. 6, 132 b Abs. 1 SGB V zu berücksichtigen und die Vertragsregeln sind an der Soziotherapie-Richtlinie auszurichten. Es wurden vom Bundesrechnungshof u.a. beanstandet:

  • Regelungen in den geprüften Verträgen, die einen Genehmigungsvorbehalt durch die Krankenkassen für bis zu fünf Probestunden vorsehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 2 der Soziotherapie-Richtlinie) und
  • Regelungen in den geprüften Verträgen, die die Hinzuziehung eines soziotherapeuti-schen Leistungserbringers zur Indikationsstellung ausschließlich durch Fachärzte ermöglichen (§ 4 Abs. 4 und Abs. 5 der Soziotherapie-Richtlinie).

Darüber hinaus stellte der Bundesrechnungshof fest, dass teils zu hohe Anforderungen an die Qualifikation der Leistungserbringer gestellt würden (z.B. Vorhalten eines Raumes für seltene Gruppengespräche, Soziotherapeuten müssen ihre Arbeit hauptberuflich erbringen, trotz geringer Auslastung, drei Jahre psychiatrische Berufspraxis erforderlich). Gleichzeitig stellt der Bundesrechnungshof fest, dass es derzeit mangels gesetzlich festgelegter Rege-lungsbefugnis, keine bundesweit einheitlich geltenden Anforderungen oder Empfehlungen zu Anforderungen an soziotherapeutische Leistungserbringer gibt. Damit fällt es den Kranken-kassen und ihren Landesverbänden zu, die Anforderungen an die Leistungserbringer festzulegen.

In Anbetracht dessen bitten wir Sie, Ihre Verträge in Bezug auf die Versorgung mit Soziotherapie nach § 132 b SGB V zu prüfen und soweit erforderlich, an die aktuell bestehende Rechtslage und die aktuell geltende Soziotherapie-Richtlinie anzupassen.
Damit eine bedarfsgerechte Versorgung mit Soziotherapie rechtzeitig stattfinden kann und so Krankenhausaufenthalte und Krankenhauskosten vermieden werden können, bitten wir Sie darüber hinaus zu prüfen, inwieweit in Ihrem Hause eine ausreichende Vertragssituation ge-schaffen wurde. Bitte prüfen Sie auch Ihre Anforderungen an die Leistungserbringer auf Angemessenheit und Erforderlichkeit.
Hiermit kündigen wir bereits jetzt an, dass wir nach einem angemessenen Zeitraum eine stichprobenartige Überprüfung der Verträge bei den bundesunmittelbaren Krankenkassen beabsichtigen.
Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Beckschäfer