Rundschreiben KV
02. Oktober 2019

Unwirksamwerden der nach § 127 Abs. 1 SGB V a.F. abgeschlossenen Verträge mit Ablauf des 30. November 2019

An
alle bundesunmittelbaren Krankenkassen
nachrichtlich
BMG
Aufsichtsbehörden der Länder
GKV-Spitzenverband

Sehr geehrte Damen und Herren,

aus gegebenem Anlass möchten wir Ihnen mit diesem Rundschreiben die Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes zu den Rechtsfolgen der Änderung des § 127 Fünftes Sozialgesetzbuch - SGB V durch das „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) mitteilen.

Der Gesetzgeber hat durch das TSVG, welches am 11. Mai 2019 in Kraft getreten ist, eine materiell-rechtliche Änderung des § 127 SGB V dergestalt vorgenommen, dass Krankenkassen zukünftig die Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten ausdrücklich im Verhandlungswege durch Rahmenverträge mit Beitrittsmöglichkeit sicherzustellen haben.
Die Krankenkassen müssen jedem Leistungserbringer Vertragsverhandlungen ermöglichen und sind dazu verpflichtet, Vertragsangebote der Leistungserbringer ernsthaft zu prüfen. Zwar haben die Leistungserbringer keinen Anspruch auf Vertragsabschluss zu den von ihnen vorgeschlagenen (Preis-) Konditionen (BSG, Urteil vom 10. März 2010, Az.: B 3 KR 26/08 R, Rn. 21), ein Ausschluss von Leistungserbringern von Vertragsverhandlungen durch die Krankenkasse ist jedoch rechtswidrig.
Die Ausschreibungsmöglichkeit im Hilfsmittelbereich nach § 127 Abs. 1 SGB V a.F. wurde durch das Inkrafttreten des TSVG aufgehoben, sodass ein Ausschreibungsverbot besteht. Die bis zum 10. Mai 2019 mittels Ausschreibung geschlossenen Verträge gelten fort und werden gemäß § 127 Abs. 1 Satz 8 SGB V erst nach der 6-monatigen Übergangsfrist mit Ablauf des 30. November 2019 unwirksam. Durch diese Übergangsfrist haben die Krankenkassen Zeit, die Versorgung ihrer Versicherten auf eine neue vertragliche Grundlage zu stellen und für eine geordnete Abwicklung der bestehenden Verträge zu sorgen. Versorgungen nach Ablauf des 30. November 2019 erfolgen damit auf Grundlage neuer Verträge mit den Leistungserbringern. Das Bundesversicherungsamt überwacht derzeit, ob die Krankenkassen trotz der Rechtsänderung weiterhin von der ehemaligen Ausschreibungsoption Gebrauch machen.

Wir weisen Sie daraufhin, dass auch Open-House-Verfahren, bei denen die Vertragsbedingungen einseitig durch die Krankenkasse festgesetzt werden, nicht durchgeführt werden dürfen. Dies stellt die Gesetzesbegründung zu § 127 SGB V n.F. klar.

Die materiell-rechtliche Änderung des § 127 SGB V führte zu Eingaben und Anfragen beim Bundesversicherungsamt. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, Sie über die Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes zu folgenden Fragen zu informieren.

Gewährleistungspflichten in Fallgestaltungen, bei denen eine Fallpauschale vereinbart wurde:
§ 127 Abs. 1 Satz 8 SGB V legt ausdrücklich fest, dass die nach bisherigem Recht im Wege der Ausschreibung abgeschlossenen Verträge zum o.g. Datum unwirksam werden.
Bis dahin haben sowohl die Krankenkassen, als auch die Leistungserbringer die Rechte und Pflichten aus den abgeschlossenen Verträgen zu beachten. Wird ein Versicherter vor dem 30. November 2019 versorgt und erhält der Leistungserbringer aufgrund des Vertrages eine Fallpauschale für bspw. 36 Monate, so hat er seiner Leistungspflicht bis zum Ablauf der vereinbarten 36 Monate nachzukommen. Dies umfasst damit auch Gewährleistungspflichten für den im Vertrag geregelten Zeitraum, die auch über den 30. November 2019 hinaus bestehen können.

Ärztliche Dauerverordnungen:
Die verbleibende Laufzeit eines ausgeschriebenen Versorgungsvertrages und die Dauer einer ärztlichen Verordnung müssen nicht deckungsgleich sein. In § 127 Abs. 1 Satz 8 SGB V ist zwar festgelegt, dass die bisherigen auf Ausschreibung basierenden Verträge „mit Ablauf des 30. November 2019 unwirksam werden“. Es ist jedoch weder dem Wortlaut des TSVG noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass diese Unwirksamkeit des Vertrages ab dem 1. Dezember 2019 auch auf die bereits auf dessen Grundlage genehmigten Verordnungen durchschlägt. Dauerverordnungen betreffen das Leistungsverhältnis Krankenkasse - Versicherter und werden nicht zum 1. Dezember 2019 unwirksam.

Allerdings erlischt die Versorgungsberechtigung von Leistungserbringern, die ab dem 1. Dezember 2019 nicht über einen Versorgungsvertrag verfügen. Der aktuell zuständige Leistungserbringer kann die Versorgung ab dem 1. Dezember 2019 grundsätzlich nur weiter durchführen, wenn eine den Anforderungen der neuen Rechtslage genügende vertragliche Grundlage mit der Krankenkasse für das Tätigwerden dieses Leistungserbringers vorliegt. Andernfalls muss sich der Versicherte ab dem 1. Dezember 2019 mit seiner Dauerverordnung um einen neuen Leistungserbringer bemühen.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für den Fall, dass es den Krankenkassen bis zum Ablauf des 30. November 2019 nicht gelungen ist, flächendeckend Versorgungsverträge nach § 127 Abs. 1 SGB V unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V abzuschließen. In diesem Fall können die Krankenkassen eine Vereinbarung zur Hilfsmittelversorgung im Einzelfall nach
§ 127 Abs. 3 SGB V treffen.

Wir hoffen, mit den vorstehenden Ausführungen zur Klärung beigetragen zu haben und bitten Sie, die vorgenannte Rechtslage zu beachten.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Domscheit